Geld statt Reparatur: So funktioniert die fiktive Abrechnung
Nach einem Verkehrsunfall trägt die Haftpflicht des Verursachers alle anfallenden Reparaturkosten des geschädigten Autofahrers. Dies ist im deutschen Verkehrsrecht so geregelt. Nur: Nicht jeder will seinen Schaden tatsächlich beheben lassen. Das Geld bekommt er dennoch: Fiktive Abrechnung heißt hier das Stichwort. Worauf Sie achten müssen und welche Fallstricke drohen.
Geld statt Reparatur: So funktioniert das Prinzip
Wenn es gekracht hat, kann es ganz schön teuer werden. Schön, wenn niemand verletzt ist – aber die Kosten für die Schäden müssen dennoch bezahlt werden. Doch nicht immer ist das auch erforderlich. Oftmals sind Schäden kosmetischer Art. Beulen, Kratzer und Lackabriebe sind keine schöne Sache – aber die Fahrtüchtigkeit des Autos wird durch sie nicht beeinträchtigt. Wenn der Geschädigte statt die Reparatur durchzuführen lieber die Kosten dafür erstattet haben will, benötigt er eine fiktive Abrechnung.
Vereinfacht gesagt funktioniert das Ganze so: Es wird zunächst ermittelt, wie teuer die Reparatur geworden wäre – der gegnerische Versicherer zahlt Ihnen dann den Betrag, der entstanden wäre, wenn Sie den Wagen in eine Werkstatt gebracht hätten.
Zwingende Voraussetzung für die Abrechnung ohne tatsächliche Reparatur ist ein vorausgegangenes Gutachten. Der Grund dafür ist simpel: Es muss auf den Cent genau ausgerechnet werden, welche Kosten entstanden wären. Diese Frage kann ausschließlich ein unabhängiger Kfz-Sachverständiger beantworten. Während bei einer herkömmlichen Reparatur die Werkstattrechnungen als Beleg für die zu zahlende Summe herangezogen werden, muss bei einer Abrechnung ohne Instandsetzung das Gutachten herhalten. Der Sachverständige ermittelt daher die Höhe des Gesamtschadens und beziffert die Reparaturkosten.
Gut zu wissen: Sie müssen keinesfalls den Gutachter akzeptieren, den Ihnen die Kfz-Versicherung des Unfallgegners vorsetzt – auch wenn der Sachbearbeiter darüber nicht erfreut sein wird. Stattdessen haben Sie als Geschädigter das Recht, selbst einen Sachverständigen zu bestimmen. Achten Sie jedoch darauf, dass er ausreichende Qualifikationen mitbringt. Dazu muss er offiziell ein öffentlich bestellter Sachverständiger sein und überdies einen Sachkundenachweis führen. Bestenfalls entscheiden Sie sich für einen Profi von der DEKRA oder dem TÜV – außerdem können Sie freiberufliche Gutachter beauftragen.
Einzige Ausnahme: Liegt der Schaden unterhalb der Bagatellgrenze – handelt es sich also um geringe Beschädigungen – benötigen Sie keinen Gutachter. Hier reicht auch für die Abrechnung ohne Reparatur ein Kostenvoranschlag einer Werkstatt, den Sie bei der Versicherung einreichen.
Diese Aufwendungen können Sie geltend machen
Es gibt eine ganze Reihe an Aufwendungen, die Sie bei der fiktiven Abrechnung geltend machen können – es sind womöglich mehr als Sie zunächst denken.
Die Gutachterkosten
Die Abrechnung ohne eine Instandsetzung ist nicht möglich, ohne vorab ein Gutachten erstellen zu lassen. Der Versicherer der Gegenseite kommt für die Kosten des Gutachtens auf.
Die Reparaturkosten
Gemeint sind alle Aufwendungen, die zur Instandsetzung des Fahrzeugs vonnöten sind – also Materialkosten und Stundenlohn. Vorsicht, letzterer kann zu Streit mit dem Kfz-Versicherer führen. Denn der Sachverständige wird seiner Rechnung in der Regel den Stundenlohn einer markengebundenen Werkstatt zugrundelegen.
Der Nutzungsausfall
Wenn Sie Geschädigter eines Unfalls sind, können Sie den Nutzungsausfall geltend machen. Heißt: Der Versicherer der Gegenseite zahlt Ihnen einen gleichwertigen Leihwagen – normalerweise. Bei einer Abrechnung ohne Reparatur kommt dies nicht infrage, da Ihr Auto ja weiterhin verfügbar ist. Stattdessen machen Sie eine sogenannten Nutzungsausfallentschädigung geltend. Diese wird Ihnen dann für die Zeit gezahlt, in der Ihr Auto in der Werkstatt gestanden hätte.
Die Anwaltskosten
Auch die Zuhilfenahme eines Anwalts ist Ihr gutes Recht als Geschädigter. Die gegnerische Versicherung muss die entstehenden Gebühren zahlen – ohne Wenn und Aber.
Wichtig: Noch bis vor einigen Jahren wurden die Reparaturkosten brutto an die Geschädigten ausgezahlt – also inklusive Mehrwertsteuer. Das hat sich 2002 geändert: Seitdem wird die Summe nur noch netto ausgezahlt. Begründung: Da keine tatsächliche Mehrwertsteuer anfällt, wird diese auch nicht gezahlt. Wer einen Teil der Reparaturen durchführen lassen will und einen anderen nicht, bekommt die Mehrwertsteuer anteilig für die real angefallenen Reparaturkosten gezahlt.
Wenn die Abrechnung ohne Reparatur schiefgeht
Nach einem Verkehrsunfall können Sie dieses Prinzip nur dann anwenden, wenn Ihr Wagen keinen Totalschaden erlitten hat. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Reparaturkosten 130 Prozent des Wiederbeschaffungswertes übersteigen – also die Summe, die der Geschädigte des Unfalls in die Hand nehmen müsste, um Auto zu kaufen, das gleichwertig mit seinem Wagen ist (und zwar unbeschädigt). Hat der Wagen dagegen einen Totalschaden, zahlt der Versicherer den Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwertes. Ob das Auto dann noch repariert wird oder nicht, spielt keine Rolle.
Probleme können vor allem mit Blick auf die Höhe der zu übernehmenden Reparaturkosten entstehen. Während der Gutachter mit Stundenlöhnen markengebundener Werkstätten rechnet, verweist der Versicherer meist auf freie Werkstätten. Hohe Beträge werden einfach gestrichen. Die Versicherer begründen dies mit der sogenannten Schadensminderungspflicht. Diese besagt, dass die Kosten für die Instandsetzung so gering wie möglich bleiben müssen. Außerdem greift das Bereicherungsverbot: Der Geschädigte darf die Kosten für die Reparatur nicht künstlich nach oben treiben; er darf nichts an dem Unfall verdienen.
Trotzdem können Sie Reparaturkosten einer teureren, markengebundener Werkstatt geltend machen. Das geht immer dann, wenn der Wagen jünger als drei Jahre ist und zudem stets in einer solchen Werkstatt gewartet und repariert wurde. Wichtig: Dies müssen Sie durch entsprechende Belege nachweisen.
Fazit: Lohnt sich das Prinzip für Sie?
Wenn Sie Ihren Wagen nicht reparieren lassen wollen, die Reparatur anderswo kostengünstig durchführen lassen wollen oder das Geld zunächst anderweitig benötigen, ist die Abrechnung ohne Instandsetzung eine Option. Bedenken Sie jedoch, dass es dabei oftmals zu Streitigkeiten mit dem Versicherer kommen kann.
Die Abrechnung ohne tatsächliche Instandsetzung lohnt sich dagegen nicht, wenn Sie ihren Wagen bei einer markengebundenen Kfz-Werkstatt reparieren lassen wollen. In diesem Fall müssten Sie nämlich die Mehrwertsteuer selbst zahlen – unterm Strich für Sie ein Verlustgeschäft.
FAQ – Häufig gestellte Fragen
Wenn Sie auf eine Reparatur des Unfallschadens verzichten, können Sie sich die Summe auszahlen lassen, die das Ganze gekostet hätte
Neben der Reparatur werden auch die Aufwendungen für das Gutachten, einen Anwalt sowie den entstehenden Nutzungsausfall beglichen.
Die einzige Voraussetzung, um einen Unfallschaden ohne tatsächliche Instandsetzung abrechnen zu können, ist ein qualifiziertes Gutachten. Dies schafft überdies Rechtssicherheit für alle Beteiligte